Wandern
50 Kilometer Extremwandern ohne Training
Mein Selbstversuch beim 4Daagse Marsch
Zusammengefasst ist der Nijmegenmarsch in der niederländischen Stadt Nijmegen mit 45.000 Teilnehmern aus mehr als 70 Nationen das größte Wanderevent der Welt. Die Teilnehmer wollen an vier aufeinanderfolgenden Tagen jeweils 30; 40 oder 50 Kilometer rund um die Stadt zurücklegen. Darüber hinaus ist es aber auch eine riesige Open-Air-Party, tagsüber an der Strecke und nachts in der Stadt. Insgesamt kommen so etwa 1,5 Millionen Menschen an den insgesamt 7 Tagen in Nijmegen zusammen, zum Wandern, Feiern und einfach dabei sein. Eine ausführliche Erklärung zum 4Daagse gibt es hier.
50 Kilometer ohne Vorbereitung – meine Erfahrung
Starten mit Warten
Die 45.000 Teilnehmer beim Nijmegenmarsch starten zwar irgendwie zusammen, aber irgendwie auch nicht. Der Startzeitpunkt verteilt sich zwischen 4 und 7 Uhr am Morgen. Ich entschied mich für 6 Uhr, in der Hoffnung, der große Ansturm sei vorbei. Das hat allerdings nicht so ganz funktioniert. Vor der Startlinie standen immer noch hunderte Teilnehmer, deren Armband fürs Tracking einzeln abgescannt werden musste. Um 6:20 war ich auf der Strecke.
Vier Tage, an denen alles zählt: Konzentration, Ausdauer, aber auch das richtige Körpergefühl. Die 4Daagse ist eine Erfahrung, die in Erinnerung bleibt. Auch, weil sie zeigt, wozu der eigene Körper in der Lage ist. Wer gut vorbereitet ist und auf sich achtet, erlebt nicht nur ein einzigartiges Event, sondern geht am Ende mit mehr zurück als nur einer Medaille.
Von Disko zu Disko
Im Gleichschritt mit allen anderen Teilnehmern laufen wir nun über kleine Straßen von Ort zu Ort. Überall da, wo Häuser stehen, stehen auch Menschen, die uns entweder anfeuern oder Party machen. Riesige Musikanlagen mit landestypischer Feiermusik und bunt geschmückte Wagen erwarten uns in wirklich jedem einzelnen Dorf. Dazu Unmengen an Süßigkeiten und Snacks, die uns von Kindern angeboten werden. Dass eine so lange Wanderung ohne Erfahrung und Training doch deutlich schwerer ist als gedacht, merke ich schon ziemlich schnell. Am Streckenrand steht plötzlich ein 10 KM Schild. Ich dachte nur: „Das kann doch nicht sein! 10 Kilometer erst?“
40 oder Abbruch
Obwohl ich mit einigen Wanderern ins Gespräch kam und meine Laune durch die unfassbar grandiose Stimmung richtig gut war: Beim Anblick des 20 KM Schildes überkam mich ein echter mentaler Schauer. Für mich war es unvorstellbar, dass ich erst 20 Kilometer zurückgelegt hatte. Meine fehlende Wandererfahrung und meine sonst viel höheren Geschwindigkeiten beim Radfahren oder Laufen wurden mir zum Verhängnis. Aber nicht nur das, auch meine Beine und Füße wurden spürbar schwerer. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Für mich wurde an diesem Punkt klar, dass ich die 50 Kilometer an diesem Tag nicht schaffen konnte, zumindest nicht, ohne langfristige Blessuren davonzutragen. Dass ich nun schon die Hälfte meines neuen Tagesziels, 40 Kilometer, geschafft hatte, half meiner Motivation zumindest für den Moment.
Pause!
Mein wichtigster mentaler Anker war meine einzige große Pause nach 30 Kilometern. Dort sollte nicht nur eine warme Mahlzeit im Mitgliederbereich des Niederländischen Wanderverbands KWBN auf mich warten, sondern auch zwei niederländische Kollegen von Bauerfeind, die dort die anderen geschundenen Wanderer mit Bandagen versorgten. Auf den letzten Kilometern sah ich, dass eine Regenfront direkt auf uns zusteuerte. Ich erreichte die Versorgungsstation gerade noch rechtzeitig und freute mich über meine warme Mahlzeit, die ich mangels freier Sitzplätze allerdings im Stehen einnehmen musste.
Endspurt
Nach einem kurzen Plausch mit den Kollegen und genau am Ende der Regenperiode setzte ich meine anstrengende Wanderung fort. Wieder ging es durch unzählige Zuschauer und riesige Partys. Überraschend schnell purzelten jetzt die Kilometer, obwohl mir mittlerweile wirklich fast alles wehtut. Mittlerweile verstand ich auch, warum so viele Wanderer hier Bauerfeind Sports Kompressionssocken und Bandagen trugen. Ich war auch sehr froh über meine Entscheidung mich damit auszustatten. Noch einmal über die große Brücke der Waal und durch die Innenstadt von Nijmegen und dann voller Glück, Begeisterung und Stolz durch das Ziel. So schwer hatte ich mir das ganze nicht vorgestellt. Nicht vorstellbar war für mich ebenso diese Distanz an den folgenden drei Tagen nochmal zu wandern.
Mein Fazit nach 50 40 Kilometern Extremwandern ohne Training und meine Tipps für lange Wanderungen
- Wandern fordert Ausdauer sowie Stabilität und muss gezielt trainiert werden.
- Richtige Wanderausrüstung und Unterstützung durch Kompression und Bandagen beugt Überlastungen vor und hält die Muskulatur länger im optimalen Leistungsbereich.
- Eine vorher zurechtgelegte Strategie für so einen Mammut-Marsch ist Pflicht. Nur eine große Pause für eine 8-stündige Wanderung ist nicht genug. Es sollten lieber mehrere kleine Pausen sein.
- Nicht die Beine, sondern der Kopf bringen dich ins Ziel. Das richtige Mindset und Motivation durch Gespräche, Essen und eine positive Denkweise sind das allerwichtigste.
Über den Autor
Martin ist als leidenschaftlicher Sportler vor allem in den Ausdauerdisziplinen, Radfahren, Laufen und Triathlon zu Hause. Trotzdem nimmt er gern Herausforderungen an, die ihm weniger liegen (wie zum Beispiel Extremwandern). Als ausgebildeter Fitnesstrainer mit einer A-Lizenz und Ironman-Finisher hat er zwar schon einige Herausforderungen bewältigt, aber keine davon traf ihn so unvorbereitet wie die Weitwanderung beim 4Daagse.